Von Alcala kommend stellten sich einige Fragen. Was durfte man vom Sevilla-Derby erwarten? Konnte man den Hass beider Fanlager und Teams mit dem Madrid-Derby vergleichen? Betis konnte seit 12 Spielen nicht mehr beim FC Sevilla gewinnen. Etwas Abseits des Estadio Sánchez-Pizjuán wurde das Auto abgestellt, um bei evtl. Straßenschlachten einen sicheren Standort zu haben. Da wohl aufgrund der großen Anzahl deutscher Hopper nur eine Karte für das Spiel käuflich zu erwerben war, wurde diese dann auch weit vor Spielbeginn für läppische 50 € abgeholt. (immerhin hatte man diese per Mail reservieren können). Die Preise für Tickets beliefen sich von 50-90 € !!! Die Kassen hatten noch geöffnet.
Das Stadion liegt versteckt hinter einem Einkaufszentrum und dem großen „El Corte de Ingles“. Im Einkaufszentrum brauchte ich am Spieltag 30 Minuten, um beim Mac Donald Besuch ( vier weitere sollten in den nächsten vier Tagen folgen) eine Bestellung aufzugeben. Die Geschäfte haben natürlich alle auch Sonntags geöffnet. Rund um das Stadion traf man nur rot-weiße Fans des FC Sevilla. Grün-Weiß war nicht auszumachen. Ein großer Teil der Sevilla-Anhänger versorgte sich im Supermarkt mit Weinbrand, Whisky und anderen hochprozentigem Fusel. Unglaublich was dort für ein Konsum herrscht. Auf einen Liter Schnaps kommt max. ½ Liter Cola. Ausfallerscheinungen waren allerdings nicht auszumachen. Respekt. Rund um das Stadion werden immer wieder Böller von extremer Lautstärke gezündet. (Die Schalker, die 97 in Valencia waren, kennen die Lautstärke).
Ca. 3 Stunden vor Spielbeginn wurde von der Polizei der Vorplatz am Stadion abgesperrt. Die Fans, die schon in recht großer Anzahl vor Ort waren, wurden zurückgedrängt. Was sollte das? Die Frage stand nun im Raum und ich konnte mir schlecht vorstellen, dass schon Betis-Fans einlaufen würden, obwohl die Cops mit Tränengasgewehren ausgerüstet waren. Ein kurzes Nachfragen brachte Licht in die ganze Sache. Die Spielerbusse wurden erwartet. Nach einer weiteren Stunde war es dann auch soweit und unter einem gellenden Pfeifkonzert traf der grüne Bus von Betis ein. Die Spieler hatten es eilig ins Stadion zu kommen und schon hatte der Spuk ein Ende. Plötzlich steigt jemand aus einem Polizeifahrzeug !!! , öffnet seine Jacke und zeigt sein grün-weißes Betis Trikot. Wüste Beschimpfungen folgen in seine Richtung. Schnellen Schrittes verschwindet der Typ wieder im Wagen und wird von den Cops weggefahren. Die Frage die bleibt, war das ein Zivilcop???? Unglaublich, springt aus dem Auto, provoziert und verschwindet wieder. Kurz darauf brandet Jubel auf und der rote FC Sevilla Bus fährt auf das Gelände. Aus hier findet der Spuk schnell ein Ende, denn auch die Spieler eilen ins Stadion. Die Polizeisperre wird nun aufgelöst.
Eine halbe Stunde vor Spielbeginn ist noch immer kein Betis-Fan zu sehen und ich begebe mich auch in den Ground. Kontrollen sind völlige Fehlanzeige. Die Glasflasche im Rucksack interessiert niemanden. Auch anderer Zuschauer werden nicht im geringsten kontrolliert. Der Platz für 50 € befindet sich in der obersten Reihe des Stadions, direkt unter der Anzeigetafel. Die Sitze sind alle verkommen und schmutzig, das gesamte Stadion macht keinen einladenden Eindruck. Eine Nummerierung gibt es hier nicht (mehr). Wenigstens ist die Sicht auf die Heimkurve ideal und auch die wenigen Betis-Fans, die im Stadion sind, können recht gut beobachtet werden. Transparente, die sie entrollen bzw. aufhängen, verschwinden nach einem Pfeifkonzert wieder. Es ist 18.50 Uhr (19 Uhr sollte Spielbeginn sein) und plötzlich blickt alles in den oberen Reihen nach draußen. Dort ein Blaulichtgewitter und die Sonderbusse mit den grün-weißen Fans stehen vor dem Stadion. Über den Vorplatz spurten sie direkt ins Stadion und der Gästeblock füllt sich. Die Transparente werden wieder hervorgeholt und die „Supporters Sur“ platzieren ihre Zaunfahne.
Von den rot-weißen Sevilla Anhängern in der Heimkurve dürften nur die wenigsten das mitbekommen haben, denn sie stehen schon mind. 15 Minuten unter ihren Plastik- oder Stoffbahnen, die vom Oberrang aus die Kurve verdecken. Immer wieder werden Knallkörper gezündet. Es ist 19 Uhr und nur das Heimteam kommt auf den Platz. Eine Durchsage verkündet, dass Betis Trikotprobleme hat und sich der Anstoß etwas verzögert. Hinterher stellte sich heraus, dass es sich um einen kleinen Skandal handelte. Betis spielt seit 98 Jahren in grün-weiß gestreiften Trikots. Der Schiedsrichter hatte heute allerdings etwas dagegen. Wer die spanische Mentalität kennt weiß, dass das Spiel nun auf Messerschneide stand. Nach fast einer ¾ Stunde überwindet Betis sich und tritt in grünen Hemden und schwarzen Hosen an.
Auf den Rängen tut sich auch einiges. Um mich herum wird, wie schon gestern in Cadiz, gekifft was das Zeug hält. Der Betis Block ist jetzt gut gefüllt und es wird gepöbelt und fast ausschließlich nur gegen den FC Sevilla gesungen. Ihre Mannschaft wird förmlich angebetet. Alles Schals werden in die Höhe gehalten und der komplette Block betet sein Team an. Ein sehr guter Anblick.
Die heimischen Fans hingegen haben 2 Chores auf ihren langen Bahnen. Eine zeigt das FC Sevilla Wappen, nachdem die Bahnen weiter nach unten gezogen werden, erscheint ihr Ultra-Wappen. Der Oberrang der Kurve zeigt rot-weiße Papptafeln. Ein sehr gelungenes Bild. Die Bahnen werden des öfteren verschoben und so wechseln sich die Bilder immer wieder ab. Unter den Bildern werden einige Bengalos gezündet. Immer wieder sieht man, wie die Fans auseinander gehen und sich eine größere Lücke in der Kurve bildet. Hier werden dann ständig Böller gezündet.
Gleiches passiert auch ständig im Betis Block. Hier ist noch eine grüne Nebelkerze auszumachen. Vom Support her legen die Gäste sich auch mächtig ins Zeug und so kommen meine Sympathien, die ich früher auch für Betis hatte, wieder hoch. Bereits nach 3 Minuten haben die rot-weißen, im mit 45.000 Zuschauern nicht ausverkauften Pizjuan, Grund zum jubeln. Der FC Sevilla geht mit 1-0 in Führung. Das Stadion kocht und der Hass auf Betis kommt nun richtig zum Vorschein. Auch hier sind fast ausschließlich Gesängen gegen Betis auszumachen.
Betis gelingt vor dem Halbzeitpfiff der Ausgleich und nun ist nur noch der Away-Sektor zu vernehmen. Nach nur zwei Minuten der zweiten Hälfte geht der FC Sevilla mit 2-1 in Führung, was letztendlich den Sieg bedeutet. Nach Schlusspfiff feiert der Heimmob den Sieg wie die Meisterschaft. Die Betis-Fans die noch im Stadion sind, verweilen auf ihren Plätzen und warten geduldig auf die Sonderbusse, die auch fast eine Stunde nach Abpfiff kommen. Vom FC Sevilla sind keine Fans mehr am Stadion zu sehen.
Das Sevilla-Derby mag optisch vielleicht ganz gut gewesen sein, aber reicht bei weitem nicht an Atletico vs Real. Straßenschlachten, Pöbeleien mit den Cops oder Erstürmung des Stadions sind hier nicht zu verzeichnen. 50 € in einem heruntergekommenen Stadion, mit den geschilderten Randgeschehen, sind in meinen Augen schlichtweg zu viel.
Am Montag spielte die zweite Mannschaft vom FC gegen Marbella an selber Stelle. Der geplante Besuch fiel aber aus, da die Gierigen wiederum 10 € Eintritt haben wollten und ein anderweitiger Eintritt in den Ground nicht möglich war. Stattdessen wurde die sehr schöne Altstadt und das völlig verdreckte Estadio Olympico besucht.
Gespannt durfte ich nach dem Auftritt im Derby auf den Betis-Anhang am Dienstag beim Heimspiel gegen Atletico sein.
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